CLAUDIA KLEINER

Feine Linien bauen sich nach und nach zu einem Gebilde auf, flirren vor dem menschlichen Auge und lassen das Davor wie ein leichter Schleier vor dem Dahinter wehen. 

Kleiners Bilder wirken einerseits der Druckgrafik ähnelnd, spielen jedoch mit einer subtilen Haptik, und lassen uns Betrachter*innen zwischen Bildvordergrund und -hintergrund springen. Wie ein leichter Vorhang im Wind, ein dünnes Netz oder eine feine Wand aus Wasser scheint es das, was dahinter steht zu verschleiern oder umspielen zu wollen. Ihre Serientitel Webung lassen eine Textilität vermuten. Ob sie damit auf den Bilduntergrund der Leinwand anspielt? Die angedeuteten Falten, kleine Störungen der fortlaufenden Linien, deuten zumindest darauf hin. Dann wären da Starving Spring, dessen feinste Pastelltöne sich behutsam auf die Leinwand legen. Disco tropical wiederum fährt mit seinen ungewöhnlichen dunklen Farbfeldern und Kontrasten auf. Sensibel gewachsen muten ihre Überlagerungen an und letztendlich sind sie es auch: brechen sie doch subtil die Zweidimensionalität und bauen durch feine Linien einen nebulösen Raum dahinter auf.

Ein zentraler Aspekt des Arbeitsprozess in Claudia Kleiners Arbeiten ist die Ruhe. Linie um Linie entstehen ihre Arbeiten, die erst nach Vollendung des letzten Striches ihre Wirkung entfalten. Farbe und Materialität ist hierbei bewusst gewählt, der Schleier, der sich letztendlich aus der Parallelität ergibt vorab lediglich vermutet. In den immer stetigen gleichen Bewegungen entsteht eine in der Masse zu einem Ganzen morphende Entität und doch reagiert jede Linie auf ihre eigene Weise, bleibt in der Nahansicht singulär, häuft trotzig an der einen Stelle die aufgetragene Farbe an bevor sie an andere wieder fein, eines Fadens ähnelt, weiterläuft. So ergibt sich einerseits eine meditativ unablässige Prozesshaftigkeit ihrer Arbeit, andererseits entstehen kleine willkommene Interventionen, die die Leinwand in Bewegung bringen.

Der Erzählraum von Claudia Kleiners Arbeiten besteht aus zwei Ebenen: In der Nähe ein sich stetig generierendes, ja fast sisyphosartiges Gebilde, dessen Aufbau Linie um Linie die Künstlerin in den Prozess hineinzieht, aus der Entfernung ein träumerischer Raum, eine diffus erkennbare Perspektive. Man ertappt sich dabei, den Schleier lüften zu wollen und doch ist man in dem Wissen, das Bild, wie es ist, so und nicht anders betrachten zu wollen.

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Fine lines gradually build up into a structure, flickering before the human eye and allowing the foreground to waft like a light veil in front of the background. 

On the one hand, Kleiner’s pictures resemble prints, but on the other hand they play with a subtle haptic and allow us viewers to jump between the foreground and background of the picture. Like a light curtain in the wind, a thin net or a fine wall of water, what is behind seems to want to veil or play around. Her series title Weaving suggests a textuality. Does she allude to the background of the canvas? The implied folds, small disruptions of the continuous lines, at least hint at it. Then there is Starving Spring, whose finest pastel tones are gently laid on the canvas. Disco tropical, on the other hand, is full of unusual dark colour fields and contrasts. Their overlays seem to have grown sensitively and ultimately they are: they subtly break the two-dimensionality and build up a nebulous space behind it through fine lines.

A central aspect of the working process in Claudia Kleiner’s works is tranquillity. Her works are created line by line and only unfold their effect after the last stroke has been completed. Colour and materiality are deliberately chosen, the veil that ultimately results from parallelism is merely assumed in advance. In the constant, identical movements, an entity morphs into a whole in the mass, and yet each line reacts in its own way, remains singular in the close-up view, defiantly accumulates the applied paint in one place before it continues to run finely, resembling a thread, in another. On the one hand, this results in a meditative, unrelenting processuality in her work; on the other hand, small welcome interventions arise that set the canvas in motion.

The narrative space of Claudia Kleiner’s works consists of two levels: Up close, a constantly generating, almost Sisyphus-like structure whose construction line by line draws the artist into the process; from a distance, a dreamlike space, diffusely recognisable perspective. One catches oneself wanting to lift the veil and yet one is in the knowledge of wanting to look at the picture as it is, this way and no other.