BETTINA SCHOLZ

 

 

 

 

 

 

 

 

S H I N I N G

 

 

 

 

 

 

 

Die Arbeiten von Bettina Scholz scheinen bei erster Betrachtung unter dem Label klassisch gefasster Malerei formiert. Sie definieren sich durch Schlieren, Kratzer, Schichtungen und Überlappungen, durch Farbverläufe, die unter oder über glänzenden Freiflächen spiegelnden Trägermaterials liegen, durch wabernde, semitransparente oder vollflächig aufgebrachte Farbspuren, schablonierte und gesprühte Lackflächen und durch formalisierte Versatzstücke von vermeintlich Gegenständlichem. Diese Werke aus Farbe, Lack, Acrylglas und Holz, die in einem sich entwickelnden, beinahe organischen Prozess entstehen, bilden jedoch auch Verbindungspunkte zwischen dem Körper des Bildes als Ding und der Gestik des Malerischen. So muten sie in ihrer Objekthaftigkeit konträr zu tradierten Bildauffassungen an und entziehen sich klassischen Techniken wie der Hinterglasmalerei. In Scholz’ Werken werden die materiellen Eigenschaften von Träger- und Farbmaterial bewusst nicht verschleiert und unter einer Schicht Kontext begraben. Werkstoff und Werk werden bei der Künstlerin in Eins gesetzt und das Material wird quasi vom Status befreit, ohne ästhetischen Eigenwert nur Mittel zum Zweck sein zu müssen, um Storys zu produzieren oder als Handwerkszeug so eingesetzt werden zu müssen, dass damit eine Idee formuliert, ein semantischer Gehalt erzeugt werden kann. Stattdessen werden gerade all die materiellen Spuren und Eigenheiten ins Licht gerückt, die den Ausgangsmaterialien aus sich selbst heraus eigen sind. Diese Interaktionen werden dabei – um es mit den Worten von Gilles Deleuze und Félix Guattari zu sagen – in „territorialen Gefügen“ arrangiert bzw. arrangieren sie sich partiell durch ihre Eigendynamik selbst. Scholz gesteht also in vielen ihrer Werke den Träger- und Farbmaterialien eine eigene Wirkungsmacht und vitale Verselbständigung zu. Dabei gehen die Arbeiten in einem übergeordneten Denksystem Wahlverwandtschaften mit parallel ablaufenden Referenzquellen ein, die thematisch in den Bildfindungsprozess Einzug halten: Das können Filme, Literatur oder Musik sein, vornehmlich aus dem Bereich Science-Fiction wie Lars von Triers Film „Melancholia“ (2011) oder Frank Herberts Romanzyklus „Dune“ (ab 1966). Diese Quellen sind in den Werken nicht unmittelbar einsehbar, sondern verlieren im Transitprozess vom Konsum hin zur Verarbeitung ihre Direktheit. Eine Bezugnahme ist nicht mehr ohne Weiteres ersichtlich, bestenfalls eine geistige Verwandtschaft hinsichtlich der Übertragung der Grundstimmungen ist erkennbar, definiert durch die Komponenten des künstlerisch verwendeten Materials und dessen Eigenschaften. Die Narrative der Inspirationsquellen werden so zu diffusen, teils bedrohlichen Szenarien, die das Dargestellte für die Rezipient*innen in andere Assoziationsebenen gleiten lassen, seien das mikroskopische Aufnahmen, Wetterphänomene, geologische und astronomische Prozesse oder dystopische Panoramen. Die vereinzelte Einbindung einer Staffelung von Bildträgern innerhalb des malerischen Materials, von mehreren Glasschichten, die Verschattungen auf und innerhalb der gestaffelten Bildoberfläche generieren und in ihren Spiegelungen die Betrachtenden einbeziehen, zeichnet die Werke von Bettina Scholz als Agierende innerhalb neumaterialistischer Sinntendenzen in der Gegenwartskunst aus. Die Auflösung fester Konturen, die reine körperlich-plastische Präsenz des Materials und seinen inhärenten Kräften, das subtile Gespür für dessen Qualitäten und Oberflächentexturen bilden in Scholz Werken einen Ankerpunkt, dem sprachlich kaum, visuell aber in schillernster Ausprägung begegnet werden kann.

Michael Klipphahn